Sep 052014
 

Rezension Zeitung «Der Bund» Von Gisela Feuz. 02.09.2014

Ein Serienmörder geht um in Bern: In ihrem dritten Roman «Endstation Bern» verknüpft Nicole Bachmann aktuelle Themen zu einem packenden Krimi.

Nicole Bachmann Autorin

«Die soziale Epidemiologie befasst sich mit der Entstehung, der Auslösung und dem Verlauf von Krankheiten in Abhängigkeit von sozialen Variablen», so definierte einst Manfred Pflanz, Professor für Epidemiologie und Sozialmedizin, den Gegenstand seines Faches. Es geht also um die soziale Dimension in der Medizin und die Frage, welche Einflüsse Faktoren wie Arbeitslosigkeit oder Migration bei Krankheitsverläufen haben können.

Stur und sympathisch
Diese Fragestellung ist denn auch zentral im neuen Krimi «Endstation Bern» der in Köniz wohnhaften Autorin Nicole Bachmann, die selber einen Doktortitel im Bereich Gesundheitsforschung und Sozialepidemiologie innehält.
Wer nun aber einen furchtbar trockenen Wissenschafts-Roman erwartet, der verkennt die 50-jährige Bachmann. Wie bereits in ihren ersten beiden Krimis «Doppelblind» (2008) und «Inzidenz» (2010) lässt die Autorin auch in «Endstation Bern» ihre sture und sympathisch unperfekte Protagonistin Lou, eigentlich Dr. Louisa Beck, wissenschaftliche Mitarbeiterin im fiktiven Berner Spital Walmot, in ein packendes und fesselndes Abenteuer schlittern.

Alles beginnt mit der Einlieferung eines vierzehn Woche alten Kleinkindes, welches an Tuberkulose erkrankt ist, und zwar an einer multiresistenten und deswegen speziell gefährlichen Form von Tuberkulose. «Wenn es sich um eine multiresistente Form handelt, gegen die kein Antibiotika mehr wirkt, werden wir in Bern vielleicht schon bald eine ganze Menge Tote haben», verdeutlicht Chefarzt Holger Grimm die Brisanz das Falles.

In der Folge versuchen Holger, Lou und deren bärbeissige Freundin Helga herauszufinden, wie und wo sich das Kleinkind überhaupt mit Tuberkulose anstecken konnte, denn in Europa ist die Infektionskrankheit äusserst selten geworden und tritt eigentlich nur noch in gewissen afrikanischen und asiatischen Ländern auf. Ihre Suche führt die drei in die Welt von illegalen Einwanderern und zwielichtigen Hilfsorganisationen. Gleichzeitig macht in Bern ein Serienmörder die Runde, und bald einmal verdichten sich die Hinweise, dass dieser «Mörder von Bümpliz» irgendetwas mit den illegalen Einwanderern und den Tuberkulose-Fällen zu tun haben muss.

Detaillierte Einblicke
Nicole Bachmann hat mit «Endstation Bern» einen packenden Krimi verfasst, der eine Vielzahl an äusserst aktuellen Themen aufgreift. So erinnert das Szenario mit multiresistenten Tuberkulose-Fällen etwa an die aktuelle Ebola-Ausbreitung in Afrika, während illegale Flüchtlinge ja ein politisches Dauerthema sind. Bachmanns Roman ist äusserst informativ, gibt detaillierten Einblick in medizinische Belange, das Spitalwesen und das Leben von Sans-Papiers, ohne dabei überladen, trocken oder belehrend zu wirken.

Trockener Humor
Ganz im Gegenteil ist «Endstation Bern» trotz schwerwiegender Thematik auch eine gewisse Komik inne, was einerseits mit Bachmanns ungewöhnlichen Sprachbildern zusammenhängt – da werden Menschen auch gerne mal mit einem Windhund oder einem Truthahn verglichen – und andererseits auf den trockenen Humor der Protagonisten zurückzuführen ist. Vielleicht sei der Serienmörder ja nur ein Tourist aus den USA, denn Serienmörder müssten ja schliesslich auch mal Ferien machen, vermutet etwa Louisa Beck. Generell sind die Charaktere in «Endstation Bern» vergnüglich menschlich gestaltet worden, und die vielen lokalen Bezüge lassen einem nach der Lektüre die Schauplätze mit anderen Augen betrachten und darüber sinnieren, was denn wohl alles hinter den Mauern von Berner Spitälern ablaufen mag.
Emons Verlag GmbH, 2014. 304 Seiten. 17.90 Fr.

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