Die Vernissage meines Romans «Tagebuch eines Atoms» wird am 12. September, 19h30 in der Kornhausbibliothek Bern stattfinden! Es würde mich sehr freuen, Euch dort zu begegnen und mit Euch auf den neuen Roman anzustosssen.
Ein Anlass mit Lesung (Nicole Bachmann), Musik (Charlotte Wittmer, Akkordeon) und Apéro!
«Tagebuch eines Atoms» erzählt Ausschnitte aus dem wahren Leben. In präzisem Satzbau und präziser Wortwahl treffen die Welten der alten Frau und des jungen Mannes aufeinander. Magda und Béla haben je ihre eigene Sprache, die weder künstlich noch überzeichnet ist. So sprechen wirkliche Menschen. Ein Buch darüber, wie sich die Figuren in den Wirrnissen des Lebens verlieren – und (zum Glück) ab und an wieder finden.
Raphael Zehnder, Autor und Radiojournalist
Leseprobe
Magda
Der Schlüssel fühlt sich kühl an. Geschmeidig, glatt. Meine Fingerkuppen gleiten über die Kanten und Vertiefungen, die abgerundete Perfektion, die unbenutzte, unbeschädigte glänzende Oberfläche. Neu. Heute beginnt mein neues Leben. Das ist schlecht formuliert, tönt nach guten Vorsätzen, Lebensstiländerungen. Aber es geht nicht darum, mit Rauchen aufzuhören oder mehr Sport zu treiben. Ab heute bin ich ein neuer Mensch, ein Niemand, ein leeres Blatt. Ich bin Magda, eine alte Frau, die keiner kennt, die man nicht sieht, die keinen interessiert.
Nur ich. Für mich allein.
Ich stehe vor meinem neuen Wohnort, nicht vor meinem neuen Haus und auch nicht vor meinem neuen Heim. Dieser Block mit seinen 21 Stockwerken, vier pro Etage, zuoberst bloss zwei, also insgesamt 82 Wohnungen, soll meine Zuflucht sein, kein Heim. 82 ist eine gute Zahl. Meine 3-Zimmer-Wohnung befindet sich im 9. Stock. Auch das gute Zahlen, die sich harmonisch zueinander verhalten, die 3 und ihre Quadratzahl. Auf meinem Hausschlüssel ist die Zahl 11236284 eingeprägt. Wenn man die eins an zweiter Stelle und die acht an zweitletzter Stelle (perfekte Symmetrie!) streicht, bleibt eine Kombination aus der Zwölfer-Reihe, 12 36 24. Dazu 18, addiert man die beiden Zahlen, erhält man die 9, also mein Stockwerk. Alles fügt sich in Harmonie.
Ein grauer, windiger Tag, aber ich friere nicht, ich fühle die Energie des Neuanfangs. Alles um mich herum wirkt grob, vernachlässigt, aber massiv. Links und rechts schwere Betonpfeiler, unter meinen Füssen dunkelgrau gemusterte Steinplatten, vor mir die Glastüre. Der Block wurde in den 80er Jahren gebaut, fantasielos funktional. Hier gibt es keine Begegnungszonen, kein jährliches Garten-Grill-Fest mit Willkommens-Apéro, keine partizipativen Mitbewohner-Versammlungen, kein gar nichts. Darauf habe ich geachtet.
Vernissage mit Musik!
Die Vernissage wird musikalisch begleitet von Charlotte Wittmer: Stimme und Akkordeon vom Feinsten!
Seit bald 40 Jahren unterwegs in der freien Theaterszene: mit dem Duo Kapelle Sorelle, dem Theater salto&mortale, Zirkustourneen mit Circus Monti, sowie mit Soloproduktionen.
Ort: Die Kornhausbibliothek ist gut erreichbar mit Tram, Bus oder zu Fuss vom Bahnhof Bern